Von der Wichtigkeit des ewigen Heiles – Alphons Maria von Ligouri

Zwölfte Predigt.

Für den Sonntag Septuagesima.

Von der Wichtigkeit des ewigen Heiles.

Misit eos in vineam suam. Matth. XX. 2.
Er schickte sie in seinen Weinberg.

Unsere Seele ist ein Weinberg des Herrn; denn dieselbe ist uns gegeben, damit wir sie durch gute Werke anbauen, um dereinst zur ewigen Herrlichkeit zu gelangen. Aber ach, ruft Salvianus aus, wie kommt es nur, daß der Christ, der
doch ein zukünftiges Leben glaubt, dennoch das Zukünftige nicht fürchtet! Die Christen glauben an den Tod, an das Gericht, an die Hölle und den Himmel, und dennoch leben sie, als ob sie das Alles nicht glaubten, als ob diese Glaubenswahrheiten Fabeln und Erfindungen der Schöngeister seien! Viele leben, als ob sie nie sterben, als ob sie niemals Gott Rechenschaft von ihrem Wandel ablegen müßten, als ob es keinen Himmel und keine Hölle gebe! Glauben sie etwa nicht daran? Nein, sie glauben das Alles, aber sie denken nicht daran, und deßwegen stürzen sie sich in’s ewige Verderben. Sie tragen nur Sorge für die Dinge dieser Welt, und vergessen auf ihre Seele! Ich will euch also in dieser Betrachtung zeigen, meine geliebten Christen, daß das Geschäft unseres Seelenheiles das wichtigste unter allen Geschäften ist; denn
erster Punkt: die Seele verloren, ist Alles verloren;
zweiter Punkt: die Seele einmal verloren, ist auf ewig verloren.

Erster Punkt.

Seele verloren, Alles verloren.

1. Es schreibt der Apostel: „Wir bitten euch, Brüder! bestrebt euch, euer eigenes Geschäft zu betreiben. Die meisten Menschen in der Welt schenken all‘ ihre Aufmerksamkeit den irdischen Angelegenheiten. Ach, wie viele Sorgen wendet man nicht an, um jenen Prozeß zu gewinnen, jenes Amt zu erhalten, jene Heirath zu schließen! Wie viele
Mittel, wie viele Maßregeln werden da nicht ergriffen! man kann nicht mehr essen, nicht mehr schlafen. Und um seine Seele zu retten, was thut man da? Jedermann schämt sich, wenn man ihm sagt, daß er sein Hauswesen versäumt habe, und ach, so Viele schämen sich gar nicht darüber, daß sie so sorglos sind, wenn es sich um ihr Seelenheil handelt! Meine Brüder! sagt der heilige Paulus, ich verlange von euch, daß ihr vor Allem euer eigenes Geschäft betreibt, nämlich das große Geschäft eurer ewigen Seligkeit.

2. Der heilige Bernhard sagt: Man nennt die Spielereien der Knaben Spielereien, Possen, Scherze; die Spielereien der Erwachsenen nennt man Geschäfte, und um jener Spielereien willen verlieren viele die Seele. Wenn der Mensch bei einem irdischen Geschäfte einen Verlust macht, so kann er denselben doch ein anderesmal wieder ersetzen; stirbt man aber in der Ungnade deines Gottes, verliert man seine
Seele, ach, wodurch könnte man da nur einen solchen Verlust wieder gut machen? Was kann ein Mensch wohl geben, um seine Seele einzutauschen? Der heilige Eucherius sagte zu Solchen, die keine Sorge um ihr Seelenheil tragen: Wenn du, o Mensch, deinem Schöpfer, welcher deine Seele nach Seinem Bilde geschaffen, nicht glauben willst, wie kostbar dieselbe sei, so glaube doch wenigstens Jesu Christo, der sie mit Seinem kostbaren Blute erkauft hat. „Wisset, daß ihr nicht mit vergänglichem Golde oder Silber erlöset seid, schreibt der heilige Petrus, sondern mit dem kostbaren Blute Christi, als eines unbefleckten Lammes.

3. So sehr also hat Gott deine Seele geschätzt! Auch der Teufel setzt einen so großen Werth auf dieselbe, daß er nie müde wird, sich anzustrengen, die Herrschaft darüber zu erlangen, und deßhalb beständig darauf ausgeht, sie zu seinem Eigenthume zu machen. Stets, ruft der heilige Augustin aus, wacht der Feind, und du schläfst?“ Als Papst Benedikt XII. von einem Fürsten um eine Gunst gebeten wurde, die er im Gewissen nicht gewähren konnte, antwortete er dem Gesandten desselben: Schreiben Sie Ihrem Fürsten, daß, wenn ich zwei Seelen hätte, ich die eine aufopfern könnte, um ihm einen Gefallen zu erzeigen; da ich aber nur eine besitze, ich dieselbe nicht verlieren könne. Und so versagte er dem Fürsten die verlangte Gunst.

4. Merke es dir wohl, mein Christ, daß, wenn du deine Seele rettest, dann liegt nicht viel daran, ob du auch in allen andern irdischen Geschäften glücklich bist; denn, wenn wir selig geworden, so genießen wir die ganze Ewigkeit hin durch die Fülle des Glückes. Verlieren wir aber unsere Seele, was hilft es uns dann, in dieser Welt Reichthümer, Ehren und Freuden gehabt zu haben? Ist die Seele verloren, dann ist Alles verloren: „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewänne, an seiner Seele aber Schaden litte! Durch diese Wahrheit hat der heilige Ignatius von Loyola so viele Seelen zu Gott hin gezogen, vor allen den heiligen Franziskus Kaverius, der damals zu Paris nur darauf bedacht war, irdische Schätze zu gewinnen. Als nun eines Tages der heilige Ignatius zu ihm redete und sprach: „Wem dienen Sie denn, o Franziskus? Ach, Sie dienen der Welt, einem Verräther, welcher verspricht und Nichts hält. Und, geben Sie wohl Acht, wenn sie auch ihr Versprechen hielte, wie lange werden wohl alle Güter dauern, die sie verheißt! Können sie etwa länger dauern, als das Leben dauert? Was wird Ihnen das aber nach dem Tode nützen, wenn Sie nicht selig geworden sind?“ Darauf hielt er ihm die Aussprüche des Evangeliums vor: Was nützt es dem Menschen . . . Nur Eines ist nothwendig. Es ist nicht nöthig, daß man sich hier auf Erden bereichert, Ehren und Würden erlangt; es ist aber nothwendig, daß man seine Seele rette, weil, wenn wir nicht in den Himmel gelangen, wir zur Hölle verdammt werden. Da gibt es kein Mittelding, entweder selig oder verdammt. Gott hat uns nicht für diese Welt erschaffen, Er erhält uns
auch nicht das Leben, damit wir reich werden und Freuden genießen, nein, das Ende ist das ewige Leben: bloß deßhalb gibt und erhält Er uns das Leben, damit wir das ewige Leben erwerben.

5. Derjenige, welcher nicht vor Allem darauf bedacht ist, seine Seele zu retten, ist ein Narr, sagt der heilige Philippus Neri. Wären auf Erden sterbliche und unsterbliche
Menschen, so würden jene, wenn sie diese nur darauf bedacht sähen, irdische Güter zu erlangen, gewiß mit Recht zu ihnen sagen: Ihr Thoren, ihr könnt euch unermeßliche und ewige Güter im Himmel erwerben, und ihr verliert eure Zeit da mit, diese verächtlichen irdischen Güter zu erlangen, die so bald mit dem Tode enden? Und ach, um dieser zeitlichen Güter willen begebet ihr euch überdieß in so große Gefahr, ewig in der Hölle zu leiden? überlasset diese zeitlichen Dinge uns Elenden, für die mit dem Tode ja Alles ein Ende hat. Aber nein! wir Alle sind unsterblich, und jeder von uns wird in der andern Welt entweder ewig glückselig oder ewig unglückselig sein. Das ist indeß das Unglück so Vieler, daß sie nur an das Gegenwärtige und nicht an das Zukünftige denken: „O wären sie weise und verständen es und
erkenneten ihr Ende! O wenn sie es doch nur verständen, von den gegenwärtigen Gütern sich los zu machen, die nur kurze Zeit dauern, und dessen eingedenk zu sein, was ihrer am Ende nach dem Tode wartet, daß sie nämlich die ganze Ewigkeit hindurch entweder Könige des Himmels oder Sklaven der Hölle sein werden! Da sich eines Tages der heilige Philippus Neri mit einem Jünglinge, Namens Franz Zaggera, unterhielt, der talentvoll war und deßhalb sein Glück in der Welt zu machen hoffte, so sprach er zu demselben: Haben Sie guten Muth, mein Sohn! Sie werden es noch weit bringen, Sie werden ein tüchtiger Rechtsgelehrter werden, später vielleicht gar ein Bischof, gar ein Cardinal, ja wer weiß, ob Sie nicht vielleicht selbst Papst werden. Und dann, und dann? Gehen Sie, fügte der Heilige hinzu, denken Sie über diese beiden Worte nach. Der Jüngling entfernte sich, dachte zu Hause über die zwei Worte nach: Und dann? und dann? worauf er allen irdischen Hoffnungen entsagte, sich ganz Gott schenkte, die Welt verließ und in die Congregation des heiligen Philippus Neri eintrat, worin er später heiligmäßig starb.

6. Die Gestalt dieser Welt vergeht. Hierüber bemerkt Cornelius a Lapide: die Welt ist wie ein Schauspiel. Unser gegenwärtiges Leben gleicht einem Schauspiel, welches vorübergeht und endigt. Selig, wer daselbst seine Rolle gut spielt und seine Seele rettet; denn wenn man statt dessen nur darauf bedacht gewesen wäre, Reichthümer und Ehren aufzuhäufen, so würde man mit Recht ein Thor genannt werden, und es würde uns in der Todesstunde derselbe Vorwurf gemacht werden, welcher jenen Reichen im Evangelium traf: Du Thor, in dieser Nacht wird man deine Seele von dir zurückfordern, was du nun bereitet
hast, wessen wird es sein? Über das Wort zurückfordern sagt Toletus: Der Herr hat uns unsere Seele zur Verwahrung übergeben, damit wir sie vor den Angriffen der Feinde beschützen; deßhalb werden in der Todesstunde die Engel kommen, um unsere Seele von uns zurückzufordern, damit sie dieselbe vor den Richterstuhl Christi darbringen können. Aber ach, wenn du deine Seele verloren hast, indem du nur darauf bedacht gewesen bist, Erdengüter zu gewinnen, so werden diese Güter nicht mehr dir angehören, sondern Andern, und was wird alsdann aus deiner Seele geworden sein?

7. O ihr armen Weltkinder! was bleibt euch im Tode von all‘ den erlangten Reichthümern, von dem Glanze dieser Welt übrig? Sie schliefen ihren Schlaf und es fanden nichts in ihren Händen die Männer des Reichthums. Im Tode endet der Traum, nämlich dieß gegenwärtige Leben, und ach, für die Ewigkeit werden sie nichts gewonnen haben! Fragen wir also diese Großen der Erde, diese Fürsten und Kaiser, welche in dieser Welt Überfluß an Reichthümern, Ehren und Freuden genossen, und die sich jetzt in der Hölle befinden; sagt mir doch, was findet ihr jetzt
dort von all‘ den Reichthümern, die ihr in dieser Welt besessen habt? von all‘ eurem Überflusse? Weinend werden die Armen uns antworten: Nichts! nichts! Und was habt ihr denn jetzt von all‘ diesen Ehren, von all‘ diesen Freuden, diesem Glanze und Siege? Heulend werden sie antworten: Nichts, nichts.

8. So hatte denn also der heilige Franziskus Kaverius Recht, wenn er sagte, daß es in dieser Welt nur ein einziges Gut, nur ein einziges Übel gebe; das einzige Gut bestehe darin, ewig selig, das einzige Übel darin, ewig verdammt zu werden. Und deßhalb spricht David: „Um Eins hab‘ ich gebeten den Herrn; wiederum verlang‘ ich’s, daß ich weile im Hause des Herrn. Um Eines habe ich Gott gebeten, und werde ich Ihn immer bitten, daß Er mir die Gnade verleihe, selig zu werden; denn wenn ich meine Seele gerettet, so habe ich Alles gerettet; wenn ich meine Seele aber verloren habe, so habe ich Alles verloren. Aber noch weit wichtiger ist es, daß, wenn man seine Seele einmal
verloren, man sie auf immer verloren habe. Gehen wir also jetzt zum zweiten Theile über.

Zweiter Punkt.

Die Seele einmal verloren, ist für immer verloren.

9. Das Wichtigste ist, daß man nur einmal stirbt. Stürbe man zweimal, so könnte man seine Seele das erste Mal verlieren, das zweite Mal wieder erlangen und sie retten. Aber nein, man stirbt nur einmal; hat man es einmal verfehlt, so hat man es auf ewig verfehlt. Diese Wahrheit prägte die heilige Theresia oft ihren Ordensschwestern ein, indem sie zu ihnen sprach: Meine Schwestern, nur eine Seele! nur eine Ewigkeit! Damit wollte sie sagen: wir haben nur eine Seele, und wenn diese verloren gegangen, so ist Alles verloren; es gibt nur eine Ewigkeit, hat man die Seele also einmal verloren, so hat man sie auf ewig
verloren.

10. Der heilige Eucherius sagt, es gebe keinen größeren Irrthum, als den, wenn man das Geschäft seines Heiles verabsäumt. “ Es ist deßhalb der größte Irrthum, weil dem selben nicht mehr abgeholfen werden kann. Wenn man sonst irgend etwas verliert, so kann man gewöhnlich dem Verluste abhelfen; wenn man ein Gut auf der einen Seite verloren hat, so kann man es auf einer andern wieder gewinnen; verliert Jemand ein Amt, eine Würde, so kann er wieder dazu gelangen; ja verlöre er sogar das Leben, so hat er doch, wenn er nur selig wird, Alles wieder erlangt. Aber für denjenigen, der verdammt wird und die Seele verliert, gibt
es kein Heilmittel mehr, solch einen Verlust kann man durch Nichts wieder gut machen. Das ist es, was den armen Verdammten so viele Wehklagen auspreßt, der Gedanke nämlich, daß die Zeit, ihre Seele zu retten, vorüber, daß es mithin kein Mittel mehr für sie gebe, dem ewigen Untergange abzuhelfen: „Der Sommer ist vorüber, und wir sind nicht erlöst. Deßhalb werden die Unglückseligen weinen und in alle Ewigkeit trostlos ausrufen: So haben wir uns also verirrt vom Wege der Wahrheit, und das Licht der Gerechtigkeit leuchtete uns nicht. Aber ach, was nützt ihnen dann die Erkenntniß des Irrthumes,
wenn man demselben nicht mehr abhelfen kann?

11. Die größte Qual für die Verdammten ist aber der Gedanke, daß sie ihre Seele verloren, und aus eigener Schuld verloren haben: Dein eigenes Verderben bist du, Israel, bei mir ist nur Hilfe für dich. Unglückseliger! spricht alsdann der Herr zu dem Verdammten, dein Verderben bist du, das heißt, es kommt aus dir, d. h. in dem du gesündiget hast, bist du selbst die Ursache deiner Verdammniß geworden, denn siehe, Ich war bereit, dir zu helfen, wenn du nur auf dein Heil hättest bedacht sein wollen. Die heilige Theresia sagt, daß, wenn man aus eigener Schuld einen Ring, ein Kleidungsstück, irgend eine Kleinigkeit verliert, man vor lauter Unruhe darüber, daß man selbst Schuld daran gewesen, weder essen noch schlafen kann und keine Ruhe mehr findet. Aber mein Gott! welche Pein wird da wohl der Verdammte auszustehen haben, wenn, nachdem er in der Hölle angelangt ist, er in derselben erkennen wird, daß er seine Seele, daß er Alles verloren habe, und daß er es auf ewig aus eigener Schuld verloren habe.

12. Von heute an müssen wir also die größte Sorge anwenden, unsere Seele zu retten. Es handelt sich, sagt der heilige Chrysostomus, nicht um den Verlust irgend eines irdischen Gutes, das man endlich doch, wenn der Tod kommt, verlassen müßte; nein, es handelt sich um den Verlust des Himmels, es handelt sich darum, auf ewig in der Hölle leiden zu müssen. “ Wir müssen also große Furcht haben, und davor zittern, uns in die ewige Verdammniß zu stürzen: ”Wirket euer Heil mit Furcht und Zittern. Deßhalb müssen wir aber auch, wenn wir selig werden wollen, uns Gewalt anthun, die gefährlichen Gelegenheiten zu fliehen, den Versuchungen zu widerstehen, und häufig die heiligen Sakramente zu empfangen: denn ohne Kampf erlangt man den Himmel nicht: Die Gewalt brauchen, reißen es an sich. Die Heiligen zitterten beim Gedanken an die Ewigkeit. Der heilige Andreas Avellinus weinte und sprach: Wer weiß, ob ich dereinst selig werde, oder ob ich nicht auf ewig verloren gehe? Und ein heiliger Ludwig Bertrand rief zitternd aus: Ach, was wird nur in der andern Welt aus mir werden? Und wir sollten nicht zittern? Bitten wir Jesus Christus, bitten wir die göttliche Mutter, daß sie uns helfen, damit wir unsere Seele retten, denn das ist unser wichtigstes Geschäft. Gelingt uns dasselbe, so sind wir auf ewig glückselig; mißlingt es uns, so werden wir ewig unglückselig sein.

 

Dies ist der Account unserer Redaktion. Hiermit werden Beiträge veröffentlicht, die keinen spezifischen Autor haben oder deren Autoren gerne anonym bleiben möchten.

Einen Kommentar abgeben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert